Themen wie Einsamkeit und Isolation beschäftigen mich oft – wahrscheinlich war es diese natürliche Neugier, die mich zum Wal „52 Blue“ führte. Ein faszinierendes Lebewesen, das auf einer einzigartigen Frequenz singt, die seine Artgenossen nicht hören können. Während ich diesen Beitrag vorbereitete, entdeckte ich, dass möglicherweise noch weitere Wale nahe der kalifornischen Küsten auf derselben Frequenz singen. Vielleicht ist 52 Blue also gar nicht so allein, wie man dachte – eine sehr schöne Erkenntnis.
Nun denn – im Spätsommer 2023 stieß ich auf die Sedcard von Trang Anh bei Modelwerk. Vom ersten Moment an wusste ich, dass ich sehr gerne mit ihr zusammenarbeiten wollte. Doch obwohl ich als Fotograf mit Absagen vertraut bin, fällt es mir immer noch ziemlich schwer, Models direkt anzuschreiben. Bei Magazin-Einreichungen bleibt die Kommunikation unpersönlich, was eine gewisse Distanz schafft, aber bei jemandem aus der Nähe (wobei dies immer relativ ist) habe ich doch immer etwas Angst vor einer direkten oder indirekten Absage. Umso glücklicher war ich, als sie fast sofort zusagte. Von da an begann mein kreativer Prozess, ein Konzept zu entwickeln, das sie perfekt verkörpern würde – und so entstand 52 Blue.
Nachdem das Moodboard und die Story standen, ging ich aus einem simplen Grund zuerst zu einer anderen Agentur: Ich hatte Bedenken, dass Trang das Konzept nicht gefallen könnte, und fragte sie gar nicht erst an. Eins war jedoch klar: Das zweite Model sollte dunkles, langes Haar und einen Pony haben. Die andere Agentur schlug ein Model vor, das in vielen Sachen das genaue Gegenteil von meiner Vorstellung war. Aber es hätte dennoch zum Konzept gepasst.
Aber es sollte letzten Endes doch alles anders kommen – oder in diesem Fall genauso passieren, wie ich es von Anfang an geplant hatte: Das Model war an Corona erkrankt und konnte nicht zum Shooting erscheinen. Es fühlte sich wie eine Schicksalsfügung an, als ich einfach Trang Anh anschrieb und fragte, ob sie spontan nach Köln kommen könne. Das Ergebnis dieser Entscheidung ist in diesem Editorial zu sehen – und dafür bin ich sehr dankbar.
Nun, nach dieser Einleitung, ein Blick hinter die Kulissen dieses Editorials, das auch online auf L’Officiel Baltic zu finden ist. Obwohl man es kaum glauben mag, arbeitete ich mit einem schwarzen Hintergrund, der mit blauen Farbfolien kombiniert wurde. Während meines Studiums begann ich, mit Farbfolien zu experimentieren, was mein Lichtverständnis stark verfeinerte. Farbfolien verzeihen keine Fehler – eine falsche Anwendung kann ein Bild im wahrsten Sinne des Wortes ruinieren und eine Korrektur ist kaum möglich.
Beim Styling entschied ich mich für eine kühle Farbpalette, die den Lebensraum von 52 Blue widerspiegeln sollten. Mein persönliches Lieblingsbild der Strecke zeigt Trang Anh in einem Kleid von Self-Portrait: schlichtes Styling, gepaart mit eleganten Pailletten und einem höflich sanftem Blick. Dieses Bild verkörpert für mich das gesamte Konzept dieser Strecke und spiegelt eine ruhige Verletzlichkeit wider, die genau meiner Grundidee entsprach.
Für das Styling wollte ich auch, dass alle Looks einen silbernen oder reflektierenden Akzent haben. Sie sollten eine subtile Anspielung auf Schallwellen sein. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht zu sehen ist, hat selbst das Federtop von Self-Portrait unter der coolen Ottolinger-Corsage aus Jeans eine Paillettenbesetzung, die den Look harmonisch und konzeptionell abrundet.
In dieser Reihe experimentierte ich mit Langzeitbelichtungen – eine Metapher für 52 Blue und Wale im Allgemeinen, die sanft durch die Tiefen des Ozeans gleiten. Die Langzeitbelichtung sollte die kontinuierliche Bewegung der Zeit und das ruhige, stetige Voranschreiten dieser majestätischen Tiere widerspiegeln.
Solche Tests sind in freien Arbeiten besonders wichtig, doch sie sollten die Produktion nicht unnötig verlangsamen. Funktioniert etwas nicht sofort, greife ich meist wieder auf Vertrautes zurück und plane, die Technik später in einem kleineren Projekt zu testen. Dies kommuniziere ich immer vorab mit dem Team – denn Transparenz gegenüber allen Beteiligten ist hier entscheidend.
Im ersten Bild setzte ich große Hoffnungen in das Glitzerkleid von Samsøe & Samsøe und dachte, die Reflexionen würden markante Linien werfen. Doch wie so oft in der Fotografie kam es anders, und letztendlich begeisterte mich die Chanel-Sonnenbrille, auch wenn ich normalerweise kein großartiger Fan von weißen Brillenrändern bin.
Im zweiten Bild sind drei Studioblitze zu sehen – zwei mit blauer Farbfolie und ein Hauptlicht. Ein kleines Detail: Der „Gürtel“ von Dolce & Gabbana ist in Wahrheit ein Schal. Diesen Trick, Kleidungsstücke kreativ umzufunktionieren, habe ich mir in der Zusammenarbeit mit Stylisten angeeignet. Das Mugler-Vintage-Kleid fanden wir in einem wunderbaren Düsseldorfer Vintage-Shop namens The Mintage.
Sich auf die Deutsche Bahn zu verlassen, ist stets ein Glücksspiel, aber an diesem Tag hatten wir Glück: Trang Anh reiste aus Berlin an und musste am selben Tag zurück. Durch meine Erfahrungen in Editorials habe ich ein effizientes Zeitmanagement am Set entwickelt. Das bedeutet nicht, dass alles im Schnelldurchlauf geschieht – vielmehr geht es darum, uns bewusst Zeit zu nehmen, wo sie gebraucht wird, und das Ziel dennoch zu erreichen.
Insgesamt planten wir acht Looks für das 52 Blue-Editorial und konnten sie auch alle erfolgreich umsetzen. Rückblickend denke ich, dass ich den Viktor & Rolf-Mantel anders hätte beleuchten sollen, damit seine Details besser zur Geltung kommen. Solche Erkenntnisse, die nicht direkt mit der Fotografie zu tun haben, sind für mich immer wichtig – denn sie geben mir ein tieferes Verständnis für mögliche Probleme, die in der Zukunft auftreten könnten. Was mich besonders in diesem Shooting faszinierte war der Dior-Hut – denn er ist beidseitig tragbar. Eine Seite war eintönig und die andere geprägt vom Dior-Monogramm. Die schlichte Seite war mir ein wenig zu dezent, also entschied ich mich für das Monogramm, das sich perfekt in den verspielten Look einfügte.
In meiner Arbeit lasse ich meine Werke gerne miteinander kommunizieren. Beim Look mit dem Prada-Hemd und dem glitzernden Sandro-Top ließ ich mich von einem früheren Editorial von mir inspirieren. Dort lies die Stylistin Jacqueline das weibliche Model ebenfalls ein Hemd anziehen und formte es so um, dass es nicht mehr so aussah wie ein normales Hemd. Da ich selbst keine visuellen Vorstellungen im Kopf formen kann, überraschte mich das tatsächliche Ergebnis.
Ja, das Versace-Bustier wurde bereits in einer anderen Farbe in Into A New Tomorrow verwendet, aber die blaue Version passte perfekt zu diesem Projekt. Das Spot-Licht symbolisiert hier, dass 52 Blue das Rampenlicht ganz für sich hat. Das Headpiece von Paco Rabanne war wider Erwarten einfach anzulegen – eine angenehme Überraschung, denn manche Stücke können unglaublich kompliziert sein.
Im letzten Look spielte ich erneut mit der Verschlusszeit – diesmal war genügend Zeit für Experimente. Das Outfit stammt größtenteils von The Mintage, bis auf das Styropor-ähnliche Top von Aisling Camps. Dieser Look betont für mich, wie wichtig es ist, Neues auszuprobieren – besonders, wenn kein Zeitdruck herrscht. Mit den Möglichkeiten der digitalen Fotografie können wir heute so viel erkunden.
Löschen lässt sich immer noch, aber das erworbene Wissen bleibt und wird eines Tages unbezahlbar sein.